Das Null Volt Röhren Audion

Michael Huber

Januar 2005

Endlich wieder Bastelzeit. Tiefer Winter, die Kinder im Bett, der Radiomann wartet. Welch ein Klang, was für Sprachen. Klar, ein Schwingkreis, eine Röhre, ein bisserl drumrum. Wunderbares Gerät. Sowas muß doch nachzubauen sein, und zwar richtig mit 250 Volt, ich bin ja keine 12 mehr und einige restaurierte Röhrengeräte ohne stromschlagbedingten Herzstillstand führen zu leisem Stolz meinerseits und stillem Protest meiner Frau ob des Platzbedarfs (die Siemens Kammermusikschatulle verdient ihren Namen nicht wirklich).

Googlen hilft immer. Eine Fundgrube: B. Kainka. Der Nachbauplan fiel auf das EL95 Audion. Ich finde die Technik der Schirmgittersteuerung sympathisch.

Februar 2005

Aus grauer Vergangenheit stammt noch das geniale Experimentierbrett mit den Klemmfedern. Röhren, Fassungen und Kleinteile finden sich auch noch, das Audion ist in einer Stunde aufgebaut, statt der EL95 werkelt eine EF184, Anodenspannung testweise 30 Volt aus dem Labornetzteil, NF an PC Lautsprecher, und siehe da: Es pfeift und zischt und brodelt und nach ein paar Stunden Erfahrung sammeln und Antennen ausprobieren höre ich diverse Sender in erstaunlicher Klarheit und Trennschärfe.

Es gibt nur einen Wermutstropfen: Die Audionschwingungen reißen auch bei 0V Schirmgitterspannung nicht ab, die Rückkoppelung läßt sich nicht klein genug drehen. Hm, vielleicht hilft ja die Radionmann-Technik, die Anodenspannung zu verkleinern. Und da passiert was Erstaunliches: Auch bei 0 Volt Versorgungspannung funktioniert das Radio, es ist einwandfrei abstimmbar, an manchen Stellen der Skala ist das audion-typische Interferenzpfeifen hörbar, das Radio rastet sogar wie von Geisterhand auf die Sender ein. Alles in allem eine Verbesserung.

Der folgende Schaltplan zeigt die endgültige Fassung. Das wirklich Erstaunliche ist die negative Anodenspannung. B. Kainka liefert als Erklärung thermisch beschleunigte Elektronen, die die Anode erreichen (man nennt das wohl Anlaufstromgebiet der Anodenstromkennlinie). Dieser Elektronenstrom ist durch die Gitter nach wie vor steuerbar.




Hier der Versuchsaufbau:




Man erkennt die rote Schwingkreisspule (Aldi Heißkleber hat schon so manches fixiert), die grüne Krokoklemme mit 2 m Meßstrippe ist die Antenne, es folgen der Drehkondensator und das Experimentierbrett mit EF184 und Peripherie und eine als NF Verstärker beschaltete EL95 (30V Betriebsspannung), damit kann man aktive PC Lautsprecher schön aussteuern. Der zweite Drehko dient der Feinabstimmung (16pF).

Das Radio empfängt im Keller(!) eine Menge Sender in erstaunlicher Qualität, für alle mit dicken Internetleitungen hier zwei Klangbeispiele:

tuning1.mp3 (939 KB). Der Araber klingt deshalb so telefonisch, weil das eine arabische „Hörer können anrufen“ Sendung ist. Wenn man länger zuhört, läßt der Moderator (die arabische Ausgabe von Elmar Gunsch) ein sonores „hmhm“ hören. Wunderbar.

tuning2.mp3 (939 KB), hier hört man das Audioninterferenzpfeifen und das „Einrasten“.

Der Schatz im Silberdraht

März 2005

Der Bastelwahn ist jetzt richtig ausgebrochen. Der Plan lautet, die Schwingkreispulen zu unterteilen, um mehrere Bänder abdecken zu können. Ich folge den Ratschlägen aus dem Internet und besorge mir 1mm Kupferlackdraht. Es entsteht eine 4x5 Windungen Spule, die kostet mich mehrere Stunden feinmechanischer Arbeit, es ist gar nicht so einfach, so dicken Draht sauber und mechnisch stabil zu wickeln, der Draht dröselt sich immer wieder auf, es ist ein ziemliches Gefrickle, bis der Lack zum Löten ab ist, derweilen hat sich ein Teil wieder abgewickelt, eine echte Herausforderung. Aber dann ist sie fertig und braucht den optischen Vergleich zur Radiomann KW Spule nicht zu scheuen.

März 2005, spät abends.

Die neue Kupferspule ist eingebaut. Heiztrafo an, ach ja, immer wieder schön, wenn die Röhrchen glühen...

Bei aller Ofenromantik ist es jetzt an der Zeit, einen Sender zu suchen. Gewohnt sorgfältig weil verwöhnt von der schieren Anzahl der bisher empfangenen Stationen drehe ich am Drehko. Von links nach rechts und wieder zurück. Das Radio bleibt stumm.

ES BLEIBT STUMM!

Man muß schon ganz genau hinhören, um zwei, drei Senderlein zu erlauschen.

Ums kurz zu machen: Mit der alten Spule geht's sofort. Die ist aus einem Draht gefertigt, mit dem mein Opa seine Verdrahtungen aufbaute. Das ist ein ganz spezielles Drähtchen: Kunststoffisolierter, versilberter Kupferdraht. Der Draht ist wohl wesentlich verlustärmer als oller Kupferlackdraht. Und die Isolierung erleichert das Wickeln doch ganz erheblich. Danke, Opa!

Ganz wollte ich das nicht glauben und habe die Radiomann KW-Spule angeschlossen, auch hier: Mäßiger Empfang. Tja, die Spule ist ja auch für ein anderes Radio. Die MW-Spule des Radiomanns funktioniert zumindest für den Ortssender Bayern1.

Denn so lautet der Beschluß, daß Silberdraht ins Radio muß.

April 2005

Aus der EL95 wurde eine Lautsprecher Endstufe (passender 220V:6V Trafo ist gefunden), NF Vorstufe mit einer weiteren EF184. Ich mag die EL95, die ist so schön klein. Das Audion hat auch wieder Anodenspannung (33 Volt), die Mitkopplung ist am Schirmgitter per Poti regelbar. Klingt höchst authentisch.

Eine Menge Versuche zeigten, daß feste Anodenspannung und regelbare Schirmgitterspannung die besten Ergebnisse bringen. Das Audion stimmt jetzt wieder mit dem EL95 Audion von B. Kainka überein, der kurze Ausflug ins Nullvoltzeitalter ist überstanden. Aber schon verrückt, ein Radio, in dem mit Elektronen geworfen wird. Physik hautnah.

Ab 30 Volt Betriebsspannung wird das Radio erst richtig munter, bald gibt's mehr: In der Bastelkiste fand sich ein alter Netztrafo (250V, 6,3V) aus einem ECL86 Plattenspieler, Siebelkos und Gleichrichter leider defekt, muß mir erst neue besorgen.

Jetzt bin ich wieder bei konventioneller Technik angekommen, von daher gibt's nix Interessantes mehr zu berichten.